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Playoffs SC Bern – Fribourg: Der SCB im unberechenbaren Schwebezustand

Tristan Scherwey (SCB), rechts, kaempft um den Puck mit Torhueter Reto Berra (HCFG) im dritten Playoff Viertefinal Spiel der Eishockey National League zwischen SC Bern, SCB, und Fribourg-Gotteron, HCF ...
Tristan Scherwey im Freiburger Torraum.Bild: keystone
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Remember 2013: Wenn ein taumelnder SCB wieder aufsteht

Der SC Bern taumelt zum ersten Sieg gegen Fribourg-Gottéron und befindet sich nun in einem völlig unberechenbaren «Schwebezustand». Niemand weiss das besser als Gottérons Trainer Lars Leuenberger.
19.03.2025, 12:3419.03.2025, 14:06
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Die Fans auf der riesigen Stehrampe haben ein gutes Gespür für die Stimmungen in ihrem Team. Sie fordern gegen Ende des ersten Drittels in Sprechhören: «Mir wei gseh üse SCB.» Sie haben den wahren SC Bern tatsächlich noch nicht gesehen.

Die heftige Reaktion auf die zwei Niederlagen ist bisher ausgeblieben. Gottéron führt 1:0 und die verunsicherten Berner wirken mutlos, ja hilflos. Da rumpelt kurz nach der ersten Pause ausgerechnet einer von Gottéron den SCB zurück ins Spiel: Andreas Borgman, der raue Verteidiger, der nur aufgrund der Verletzung von Jacob de la Rose als Defensivstürmer spielen darf, befördert Marc Marchon kopfsvoran in die Bande. Er wird unter die Dusche geschickt.

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Borgman bei seiner Haupttätigkeit.Bild: www.imago-images.de

Eine Dummheit, die Gottéron das Spiel kostet und die Serie kosten kann. Der SCB nutzt den Fünfminuten-Ausschluss zum 1:1. Gottéron wird erst im Schlussdrittel wieder Tritt fassen. Aber es reicht nur noch zum Ausgleich (2:2). Die Verlängerung geht verloren (2:3).

Natürlich wird Lars Leuenberger nach dem Spiel auch zu Borgmans Aussetzer befragt. Der SCB-Meistertrainer von 2016 lässt sich nicht aufs Glatteis führen. Kurz und knapp sind seine Antworten. Wenn der Chef jetzt blinzelt und zweifelt, sich zu Ausreden, zu unbedachten Aussagen verführen lässt, dann können ihm unbedachte Worte später auf die Füsse fallen.

Lediglich auf eine Frage reagiert Leuenberger schon fast verärgert und nicht mit der ihm sonst eigenen Chuzpe: Wie gefährlich ist es, wenn man den SCB, den man im Griff hatte, wieder aufstehen lässt? Er sagt, schon ein wenig unwirsch: «Ich beschäftige mich doch nicht mit dem SCB.»

Die Frage ist allerdings berechtigt. Ein taumelnder Titan, der doch wieder auf die Beine kommt, wird unberechenbar. Gottéron führte zu Beginn des Mitteldrittels zwar nur 1:0, hatte aber den Titanen SCB im Griff. Kontrollierte Spiel, Tempo und Emotionen. Weitere Treffer schienen nur eine Frage der Zeit. Eine frische Brise des Selbstvertrauens blähte die Segel und mit flotter Fahrt ging es Richtung Sieg Nummer 3 und Halbfinal.

KEYPIX - Berns Spieler feiern den Treffer zum 3-2 im dritten Playoff Viertefinal Spiel der Eishockey National League zwischen SC Bern, SCB, und Fribourg-Gotteron, HCFG, vom Dienstag, 18. Maerz 2025 in ...
Berner Jubel über den Sieg im Spiel 3.Bild: keystone

Andreas Borgmans Fünfminuten-Ausschluss bringt den Ausgleich und die Wende. Gottérons kühles Selbstvertrauen löst sich auf wie ein Morgennebel. Erst in der Schlussphase fasst die Mannschaft wieder Tritt und rettet sich in die Verlängerung. Aber das Gottéron nach Andreas Borgmans Strafe ist nicht mehr das gleiche Gottéron wie vor dem Ausschluss des Rumpelschweden.

Eine Kleinigkeit, eine verschenkte Torchance oder eben eine Strafe können das Momentum, können Ebbe und Flut eines Spiels oder gar einer Serie ändern. Jede Aktion ist wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird und eine Welle auslöst. Erst recht in einem Viertelfinal zwischen zwei Teams, die hockeytechnisch auf Augenhöhe sind.

Lars Leuenberger weiss sehr wohl, warum er in dieser heiklen Phase nicht auf provokative Fragen über den SCB eingeht. Remember 2013!

Kevin Loetscher haelt den Meisterpokal hoch bei der Meisterfeier des SCB am Samstag, 20. April 2013 auf dem Bundesplatz in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Andere Zeiten: Kevin Lötscher mit dem Meisterpokal 2013.Bild: KEYSTONE

Der SCB mahnt im Frühjahr 2025 in erstaunlicher und für Gottéron in etwas beunruhigender Art und Weise an den SCB der Playoffs 2013 unter Antti Törmänen. Die Berner waren als Zweite der Qualifikation im Viertelfinal gegen Servette 1:3 in Rückstand geraten. Heftig die Polemik wegen des drohenden Ausscheidens gegen die damaligen Hinterbänkler aus Genf. Ein 2:1-Verlängerungs-Heimsieg brachte die Wende.

Die Berner stolperten und wankten in sieben Spielen in den Halbfinal, taumelten in sieben Spielen gegen Zug in den Final, hatten nun Tritt gefasst und bodigten im Final Gottéron in sechs Partien. Meister 2013! Der Assistent von Antti Törmänen damals war … Lars Leuenberger.

2025 wie 2013? Ob sich die Geschichte wiederholt, darüber gibt es verschiedenste Theorien. Einige sagen, die Geschichte wiederhole sich immer wieder, andere, die Geschichte wiederhole sich nur als Farce und es gibt auch die Theorie, die Geschichte reime sich. Was in diesem Falle beim SCB heissen würde: «Es ist wie zweitausenddreizehn, wir werden uns bei der Meisterfeier wiedersehn.» Oder ähnlich.

Solcher Aberglaube ist SCB-Trainer Jussi Tapola fern. Sein Selbstvertrauen ist auch in kritischen Phasen ansteckend, er ist jetzt, nach dem befreienden ersten Viertelfinalsieg ein wenig wie eine charmante Version von Lars Leuenberger. Natürlich wird auch er nach der Bedeutung der borgmanschen Fünfminutenstrafe gefragt. Ob das ein Glücksfall für den SCB gewesen sei und so weiter und so fort. Er kontert treffend, man habe diesen Ausschluss einfach zum 1:1 genutzt.

Aber Glück? Nein, Glück und Pech gehöre einfach zu diesem Spiel. Man müsste dann ja den späten Ausgleich zum 2:2 auch als Glück für Gottéron bezeichnen. Es ist die Gelassenheit eines Bandengenerals, den bis heute das Glück in heiklen Phasen nie verlassen hat. Und nach Fragen über mögliche Umstellungen oder Torhüterwechsel eine Formel für Coaches in Playoffs prägt: «Schlafen, analysieren und dann entscheiden.»

Was sich der Chronist gleich für seine Arbeit merkt: «Schlafen, nachdenken und dann schreiben.» Und nicht in umgekehrter Reihenfolge.

Womit wir wieder beim SCB aus dem Frühjahr 2013 sind. Natürlich war der borgmansche Aussetzer ein Glücksfall, ja die Rettung für den SCB. Auch damals im Viertelfinal von 2013 retteten den SCB mehrere Glücksfälle, Pfostenschüsse in Verlängerungen inklusive.

Gottéron hatte den SCB im Griff – und hat diesen Griff gelockert und den Titanen wieder aufstehen lassen. Verliert Gottéron diesen Viertelfinal doch noch, dann war der Rumpelcheck von Andreas Borgman wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, der einen Sturm auslöst. Einen Sturm, der Gottéron vom Eis fegt.

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